Aktuelle Pressemeldungen
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Frühzeitige Erkennung gelockerter Hüftimplantate mithilfe Künstlicher Intelligenz

Die Rolle der künstlichen Intelligenz (KI) in der Wissenschaft wird immer wichtiger. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kann sie wirkungsvoll dabei unterstützen, komplexe Zusammenhänge zu erkennen, die mit traditionellen Methoden schwer festzustellen sind. Der Aufwand für das Training von KI-Systemen ist derzeit nach wie vor groß.
April 2025: Im Jahr 2023 wurden in Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamts knapp 274.000 Hüftendoprothesen implantiert. Für die meisten Patientinnen und Patienten bedeutet diese Operation einen enormen Zugewinn an Lebensqualität, da sie wieder schmerzfreie Bewegungen ermöglicht. Allerdings währt die wiedergewonnene Lebensqualität bei einigen Betroffenen nicht dauerhaft: Das Implantat kann sich lockern und sogenannte Revisionen notwendig machen, d.h. die Entfernung der alten und die Implantation einer neuen Endoprothese. Der dauerhafte Halt von Hüftendoprothesen gehört daher zu den großen Herausforderungen in der klinischen Praxis.
Der Sonderforschungsbereich (SFB) 1270 „ELektrisch Aktive ImplaNtatE – ELAINE“ an der Universität Rostock widmet sich unter anderem diesem Problem. So wollen Forscherinnen und Forscher aus den Bereichen Physik, Biologie, Werkstoffwissenschaften, Elektrotechnik und der Medizin das Wachstum von knochenbildenden Zellen rund um die Endoprothese mit Hilfe von elektrisch aktiven Implantaten fördern und so den Halt der Prothesen im Knochen verbessern.
Prof. Dr.-Ing. Sascha Spors vom Lehrstuhl Signaltheorie und Digitale Signalverarbeitung der Universität Rostock hat sich mit seinem Team darüber hinaus auf den Weg gemacht, mit Hilfe von KI dem Phänomen der frühzeitigen Implantatlockerung auf die Spur zu kommen. „Zusätzlich zur Lockerungsdiagnostik wollen wir die Gesundheit des Knochens um das Implantat herum bestimmen.“
Bei der Beobachtung von möglichen Lockerungen spielt ein in einem Hohlraum der Endoprothese angebrachtes Kügelchen eine entscheidende Rolle. „Wenn das Implantat fest im Knochen verankert ist und das Kügelchen von außen in Bewegung gebracht wird, stößt es an die metallische Innenwand.“ Dieses Anschlagen erzeugt Vibrationen im Implantat und Gewebe und diese können gemessen werden.
Der Fokus liegt nun auf der Mustererkennung dieser Signale. „Es werden etwa 100.000 Datensätze benötigt, um der KI beizubringen, wie die Vibrationen in einem nicht gelockerten Zustand aussehen“, so Spors weiter. „Alles, was anders aussieht bzw. klingt, deutet auf Lockerungen hin“, schildert er die Vorgehensweise. Die Frage für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist nun, wie sich das „Anders klingen“ in einem allgemeingültigen Algorithmus abbilden lässt. Es gehe also darum, ein Muster bei den Signalen zu erkennen.
Die Ursprungsidee sei gewesen, einen Beschleunigungssensor zur Messung der Vibrationen von außen auf die Haut zu bringen und dann mit einem Magneten die Kugel im Innern des Implantats zum Schwingen anzuregen. Durch diese Schwingungen sollten Vibrationen im Gewebe erzeugt werden, die auf Veränderungen im Implantatumfeld hinweisen. Allerdings können solche Messungen durch Veränderungen des Körpergewichts, wie Gewichtszunahme oder -abnahme, beeinflusst werden.
Um diese potenziellen Störungen zu minimieren, verfolgen die Forscherinnen und Forscher nun einen weiterentwickelten Ansatz: Sie versuchen, die Beschleunigungssensoren direkt auf der Endoprothese zu integrieren. „So würden Messstörungen umgangen, die im Laufe der Zeit beispielsweise durch Änderungen des Körpergewichts entstehen können“, sagte Spors. Damit hätte das elektrisch aktive Implantat noch eine zusätzliche Funktion: Neben der gezielten Abgabe von Strom zur Anregung von Zellen werde die Überwachung des Einheilungsprozesses des Implantats möglich.
Das Verfahren, das dabei angewendet wird, nennt sich Elektroimpedanztomographie. Diese Messmethode ermöglicht die grafische Darstellung von Änderungen der elektrischen Impedanz in Geweben. „Verschiedene Gewebe und Knochen weisen unterschiedliche Impedanzen auf“, erklärt Spors. Mit dieser Methode könnten in Kombination mit der KI Abweichungen von der Norm gut bestimmt werden. Spors betont jedoch, dass sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf dem Gebiet der Grundlagenforschung bewegen. Viele grundlegende Zusammenhänge müssten noch im Detail erforscht werden.
Hintergrund Sonderforschungsbereich 1270 ELAINE
Am 2017 gestarteten Sonderforschungsbereich 1270 ELAINE, der sich aktuell in der zweiten Förderperiode befindet, sind neben der Universität und der Universitätsmedizin Rostock die Universitäten Greifswald, Leipzig, Mainz und Erlangen sowie die Hochschule Wismar beteiligt. Ein Team aus mehr als 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fakultäten arbeitet am Einsatz von elektrisch aktiven Implantaten. Diese Implantate sollen unter anderem bei der Regeneration von Knochen- und Knorpelgewebe eingesetzt werden und Zellen zum Wachstum und zur Differenzierung anregen. Im SFB 1270 ELAINE wird zudem die Tiefe Hirnstimulation zur Therapie etwa der Parkinson-Erkrankung oder Dystonie erforscht.
Der SFB gilt als eines der Leuchtturmprojekte in der Wissenschaftslandschaft von Mecklenburg-Vorpommern. Die Forschungen laufen nach Angaben der Sprecherin von ELAINE, der Elektrotechnikerin Prof. Dr. Ursula van Rienen, sehr erfolgreich. Die Förderung seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beträgt in der ersten und zweiten Förderperiode rund 24,1 Millionen Euro inklusive der Programmpauschale. Im Jahr 2026 soll die dritte und damit letzte Förderperiode beginnen.
(https://www.elaine.uni-rostock.de)
Kontakt:
Dr. Paula Friedrichs
Gesamtkoordination SFB 1270 „ELAINE“
Universität Rostock
Institut für Allgemeine Elektrotechnik
Tel.: +49 381 498-7082
E-Mail: paula.friedrichs2@uni-rostock.de
Stimulationseinheit STELLA setzt neue Maßstäbe für intelligente Implantate
Aktuelle Version STELLA 4.0 ist nur ein wenig größer als ein Zwei-Cent-Stück


Oktober 2024: Die Bedeutung von Implantaten in der medizinischen Anwendung wächst stetig, was auch die Anforderungen an diese erhöht. Neben der Effektivität ist die Langlebigkeit eines der wichtigsten Kennzeichen. Im Sonderforschungsbereich 1270 ELektrisch Aktive ImplaNtatE – „ELAINE“ der Universität Rostock wurde die Stimulationseinheit STELLA entwickelt, die diese und weitere Bedingungen erfüllt.
Der seit 2017 tätige Sonderforschungsbereich 1270 ELektrisch Aktive ImplaNtatE – „ELAINE“ der Universität Rostock hat sich zum Ziel gesetzt, mithilfe elektrischer Stimulation die Regeneration von Knochen- und Knorpeldefekten sowie die Therapie neurodegenerativer Erkrankungen wie Parkinson oder Dystonie zu unterstützen. Trotz der Unterschiede dieser Krankheitsbilder und der notwendigen Therapieansätze gibt es dabei eine Gemeinsamkeit: Die Implantate müssen bei der Generierung der elektrischen Signale mit größtmöglicher Genauigkeit arbeiten und dabei nur wenig Energie verbrauchen, damit sie nur selten ausgetauscht werden müssen. Die Rostocker Antwort auf die daraus entstehenden Fragen lautet STELLA.
„Die aktuelle Version heißt STELLA 4.0 und ist nur ein wenig größer als ein Zwei-Cent-Stück“, berichtet Prof. Dr.-Ing. Christian Haubelt vom Institut für Angewandte Mikroelektronik und Datentechnik an der Universität Rostock. Der Stimulator könne deshalb problemlos implantiert werden. „Die wegweisende Systemarchitektur von STELLA 4.0 hat beeindruckende Ergebnisse in den Bereichen Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Miniaturisierung erzielt und setzt neue Maßstäbe im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen“, betont Haubelt. STELLA 4.0 biete Medizinern eine außergewöhnliche Flexibilität bei der Erforschung der Wirkmechanismen der Tiefen Hirnstimulation und der elektrischen Stimulation zur Regeneration von Knochen und Knorpeln.
„Ob Rechteck- oder Sinussignal mit verschiedensten Frequenzen und Signalstärken, STELLA 4.0 unterstützt die große Bandbreite der für die unterschiedlichen Anwendungen interessanten Signale“ erklärt Franz Plocksties, Doktorand und Mitentwickler von STELLA. Für diese Flexibilität setzt das Team um Professor Haubelt auf eine Software-programmierbare Lösung. „STELLA 4.0 enthält neben der Stimulationseinheit noch einen Kleinstcomputer für die Konfiguration und Überwachung der Geräteparameter“ ergänzt Plocksties.
Die Tiefe Hirnstimulation wurde in den 1980er Jahren entwickelt. Sie führte zu teils enormen Lebensverbesserungen für die Patienten. Durch sie könnten Symptome wie Tremor, Steifheit oder Bewegungsprobleme verbessert werden. Doch es ist bis heute nicht vollständig geklärt, welche genaue Wirkung die Stimulation auf die Gehirnaktivität hat. Mit STELLA 4.0 hat der Sonderforschungsbereich nun eine Möglichkeit, sich dieser Frage zu nähern. „Denn mit STELLA 4.0 können wir nicht nur Variable wie Stromstärke und Spannung individuell anpassen, wir können auch untersuchen, was an der Schnittstelle von Gewebe und Elektroden passiert“, führt Plocksties weiter aus.
Der wesentliche Vorteil hierbei ist, dass sich das Implantat auf diese Weise permanent selbst testet. „Dadurch sind die medizinischen Versuche in ELAINE viel besser zu reproduzieren“, sagt Haubelt. STELLA 4.0 sei noch nicht in der klinischen Anwendung, das Vertrauen der Mediziner in die Experimente sei aber bereits gestiegen. Denn die Studien laufen seither viel erfolgreicher ab. Durch die Auswahl aufeinander abgestimmter Elektronikkomponenten sei es gelungen, die theoretische Laufzeit des Stimulationssystems um mehrere Jahre zu erweitern - und dies bei unveränderter Batteriegröße.
Mit STELLA 4.0 könne nun der nächste Forschungsschritt angegangen werden. „Unser Ziel ist es, dass beispielsweise bei der Tiefen Hirnstimulation das Nachjustieren der Elektronik selbstständig übernommen wird, wenn es die medizinischen Gegebenheiten erfordern“, sagt Haubelt. Oder dass bei Knochenimplantaten über Widerstandsmessung das Zellwachstum bestimmt und dann die notwendige Ladungszufuhr individuell angepasst wird. „In diesem sogenannten Closed-Loop-System wird registriert, wie es dem Patienten geht - und dann wird ohne weiteres ärztliches Handeln nachjustiert. Das ist die große Zukunftsvision“, sagte Haubelt.
Hintergrund: Der Sonderforschungsbereich 1270 „ELAINE“
Im Sonderforschungsbereich 1270 „ELAINE“ forschen rund 80 Expertinnen und Experten hauptsächlich von der Universität Rostock und der Universitätsmedizin Rostock an neuen Technologien zur Regeneration von Knochen und Knorpeln oder der tiefen Hirnstimulation. Seit seiner Gründung im Jahr 2017 hat der Verbund bedeutende Fortschritte erzielt, wie beispielsweise die Entwicklung der miniaturisierten Stimulationseinheit STELLA 4.0. Diese Forschungen könnten nicht nur für die Wissenschaft, sondern auch für die Industrie von großer Bedeutung sein. Eine weitere Verlängerung des Sonderforschungsbereichs „ELAINE“ durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bis 2029 wäre ein großer Gewinn für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die medizinische Forschung an den Standorten. Neben der Universität und der Universitätsmedizin Rostock sind die Universitäten und Hochschulen in Greifswald, Leipzig, Nürnberg-Erlangen, Mainz und Wismar an „ELAINE“ beteiligt.
Kontakt:
Dr. Paula Friedrichs
Gesamtkoordination SFB 1270 „ELAINE“
Universität Rostock
Institut für Allgemeine Elektrotechnik
Tel.: +49 381 498-7082
paula.friedrichs2@uni-rostock.de
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